Die Magie der Berührung

Der Zauber der Berührung 

Eine Zusammenfassung aus dem Interview A. Lübbes mit Dr.M. Grunwald

Aus Natur und Heilen Dezember 2013

Der Mensch ist ein Kuscheltier, das seine wichtigsten Botschaften

nicht durch Sprache, sondern durch Berührungen vermittelt.

Über 20 Millionen Sinneszellen in unserer Haut senden überIebens—

wichtige Signale an unser Gehirn:„Du bist geliebt, du bist

geborgen, du bist Iebendig.” Mit jeder sanften Berührung schüttet

das menschliche Gehirn den Botenstoff Oxytocin aus. Und dieser

schützt uns vor krank machendem Stress, stärkt unser Immunsystem und lässt uns Glück empfinden.


Annette Lübbers: „Ego cogito, ergo sum — Ich denke, also bin ich" 

dieser Satz des französischen Philosophen Rene Descartes ist allgemein bekannt,  aber stimmt er deshalb auch?

Dr. Martin Grunwald: 

Zutreffender ist der Satz: „Ich fühle, also bin ich.“ 

Tatsächlich ist der menschliche Verstand gar nicht in der Lage, die lebensnotwendige Botschaft von der eigenen Lebendigkeit zu transportieren.

Glaubhaft vermittelt werden kann diese Aussage nur in der körperlichen Auseinanderetzung mit der äußeren Umwelt.

Heute wissen wir: Angemessene körperliche, geistige und soziale Entwicklungen im frühen Kindesalter sind direkt an Berührungsimpulse und an die Kontaktaufnahme in Form von Ansprache und Blickkontakt gekoppelt. 

Und deshalb ist die Tendenz der „Entkörperlichung" unserer Gesellschaft tatsächlich ein Desaster. 

Ich betone deshalb immer wieder: Berührung hat den Rang eines Lebensmittels.

Der Mangel an Berührung hat noch viel gravierendere Konsequenzen als der Verlust eines anderen Sinnesorgans.

Dieser Wunsch nach Berührung ist ganz tief in uns verwurzelt. 

Und wenn er nicht erfüllt wird,dann suchen wir nach Ersatz — ein Leben lang.

Menschen sind auf Berührung genauso angewiesen wie auf Nahrungsmittel.

Berührungen, die unsere Sehnsucht nach Ruhe, Frieden und Geborgenheit stillen.

Was geschieht körperlich mit uns, wenn wir berührt, gestreichelt, massiert werden?

Dies sind derartig komplexe Vorgänge, dass wir sie im Einzelnen noch gar nicht entschlüsselt haben. Sicher ist, dass durch die Berührung unseres Körpers eine ganze Kaskade von Informationen transportiert wird. Auf der gesamten Körperoberfläche haben wir allein zwei Billionen freie Nervendungenn, die in der Haut verborgen sind.

Die Botschaft „Ich bin lebendig" kann man tatsächlich nicht anders transportieren als über den Körper. Nehmen Sie doch nur die Äußerung „Kneif mich mal". Wenn uns etwas irreal oder als nicht fassbar erscheint, dann brauchen wir den Körper, der uns versichert:

Das ist tatsächlich wahr. Viel zu lange haben wir in der westlichen Philosophie den Satz geglaubt: „Ich denke, also bin ich". Aber das ist Unsinn. 

In der abendländischen Philosophie hat als Erster Aristoteles erkannt, dass der Körper die Projektionsfläche unseres seelischen Apparates ist. 

Suggeriert unsere sexualisierte Welt nicht andauernd, dass es gar keinen Berührungsmangel gibt?

In der Tat, aber es geht beim Thema Berührung ja nicht um Sex. Manchmal ist Kraulen, Streicheln oder einfaches Gehalten werden tatsächlich besser als Sex. Die Menschen sehnen sich nicht nach mehr Sex, sondern nach echter Nähe.

Aber es ist sehr schwer, sich dieses Bedürfnis selbst auch einzugestehen bzw.überhaupt wahrzunehmen. 

Viel leichter ist es dagegen, sich den Angeboten von immer mehr und immer unverbindlicheren Partnerbörsen — etwa im Internet — hinzugeben.

Echte Nähe entsteht aber nur dann, wenn ein Mensch sich ganz und gar auf einen anderen einlässt, also für den anderen fassbar wird.